Am 8. Februar 2025 starb in Windhoek (Namibia) Sam Nujoma. Er war der Anführer der Befreiungsbewegung South West Africa People's Organization (SWAPO) und wurde der erste Präsident des unabhängigen Namibia (1990-2005). Er wurde 95 Jahre alt und steht damit in der Tradition der Freiheitskämpfer:innen aus dem Südlichen Afrika, die alle lang lebten. Exemplarisch dafür sind Nelson und Winnie Mandela, Walter Sisulu, Robert Mugabe, Kenneth Kaunda, Ketumile Masire zu erwähnen. Dies ist erwähnenswert, weil die meisten von ihnen in ihrem Leben mit schweren Widrigkeiten wie Krieg, Gefängnis und Misshandlungen zu tun hatten.
Der Weg in die Befreiungsbewegung
Wie viele der hier benannten Personen hatte Sam Nujoma auch seine Wurzeln in der Gewerkschaftsbewegung. Als Arbeiter bekam er die Grausamkeit der Ausbeutungs- und Umsiedlungspraktiken des Apartheidsregimes zu spüren. Diese Erfahrung war entscheidend für seine Entscheidung, ins Exil nach Angola zu gehen. Dort gelang es ihm und seinen Weggefährten, die verschiedenen Widerstandsbewegungen gegen das Apartheidsregime zu vereinen. Der bewaffnete Kampf dieser vereinten Befreiungsbewegung, verbunden mit dem Widerstand von innen und die durch den Fall der Berliner Mauer erfolgten geopolitischen Verschiebungen führten zur Unabhängigkeit im Jahr 1990.
Etappensieg Unabhängigkeit
Nach der Unabhängigkeit sah die SWAPO ihre Aufgabe vor allem darin, das Land nach einem langen Befreiungskrieg und über 100 Jahren Kolonialismus und später Apartheid politisch, sozial und ökonomisch zu stabilisieren. Auf politischer Ebene sind die Bemühungen der SWAPO durchaus von Erfolg gekrönt: Namibia bleibt stabil und galt lange als ein gutes Beispiel für konsolidierte Demokratie in Afrika. Auf dem „Ibrahim Index of African Governance 2024“, einem umfassenden Datensatz zur Messung der afrikanischen Regierungsführung und spezifische Ergebnisse und Trends auf kontinentaler, regionaler und nationaler Ebene für ein ganzes Spektrum thematischer Dimensionen der Regierungsführung, rangiert Namibia auf Platz acht. Diese Klassifizierung analysiert die Entwicklungen der letzten 10 Jahre und es scheint, dass das gute Abschneiden Namibias mehr auf die früheren als auf die letzten Jahre der Messperiode zurückzuführen sind. Als Indiz dafür ist zu erwähnen, dass Namibia unter jenen Ländern des afrikanischen Kontinents gelistet wird, in denen sich die Situation verschlechtert. Dies entspricht der Wahrnehmung vieler Menschen in Namibia selbst, mit denen die KASA arbeitet: Das Image Namibias als ein gut regiertes Land neben Botswana hat in den letzten Jahren mit Korruptionsskandalen wie dem „Fishrot“ oder durch umstrittene Wahlprozesse und -ergebnisse wie in 2024 dicke Kratzer abbekommen (Link).
Namibia´s unfinished Businesses
Mit dieser Entwicklung ist der einzige Erfolg der SWAPO und damit auch das große Erbe Sam Nujomas gefährdet, denn die politische Stabilität die Grundlage bilden sollte, um den 1990 eingeleiteten Befreiungsprozess zu wagen. Dass Namibia es dringend hat, zeigt der Blick auf die Ökonomie und auf das Soziale, zwei Bereiche, in denen Sam Nujoma und seine sukzessiven Regierungen in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit große Veränderungen erreichen wollten. Heute gehört Namibia neben Südafrika zu den Gesellschaften mit den größten Ungleichheiten in der Welt. Die Apartheidslogik und -praxis spiegeln sich in den Vermögens- und Besitzverhältnissen wider. Eine strukturelle Transformation der namibischen Ökonomie ist nicht gelungen. Einer der erklärenden Faktoren ist der faule Kompromiss, der die SWAPO bei den Verhandlungen um die Unabhängigkeit machte und der der Tragweite der kolonialen Ausbeutung und Enteignungen von Land und anderen Ressourcen keiner Rechnung trug. Darüber hinaus gilt es, festzuhalten, dass auch die SWAPO nicht vermochte, die Handlungsspielräume, die sie hatte, zu nutzen, um die transformative Agenda voranzubringen. Die Kooptierung einer kleinen Schwarzen Elite in den Kreis der Wohlhabenden schien ihr wichtiger als strukturelle Reformen, die der großen Mehrheit zugute kämen. Die sozialen Auswirkungen der fehlenden Transformation der Ökonomie sind enorm: hohe Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit. Geschätzt leben 40 Prozent der namibischen Bevölkerung in informellen Siedlungen , die nur wenig oder gar keinen Zugang zu Infrastrukturen und grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser und sanitären Einrichtungen haben. Dies ist skandalös angesichts der Tatsache, dass Namibia als „Upper Middle-Income country“ eingestuft wird, über viele natürliche Ressourcen verfügt und eine sehr niedrige Bevölkerungsdichte hat. Auch daran lässt sich das Erbe von Sam Nujoma messen, weil ihm großen Einfluss auf die namibische Politik nachgesagt wurde, auch lange nach seinem Rückzug aus der Politik als Staatschef (2005) und als Parteivorsitzender der SWAPO (2007).
Die Geschichte sorgt manchmal für Zufälle voller Symbolkraft: Sam Nujoma starb am 8. Februar, an jenem Tag, an dem Donald Trump per Dekret sämtliche Unterstützung für Südafrika stoppte und den „Afrikandern“ Asyl in den USA versprach, um gegen das Gesetz Südafrikas für die staatliche Enteignung von Land in begründeten Fällen zu protestieren. Wie in Südafrika bleibt auch in Namibia die Landfrage ein „unfinished Business“, obwohl sie im Zentrum der Mobilisierungsstrategien aller Befreiungsbewegungen war. Trumps Handlungen sollte alle Befreiungsbewegungen im Südlichen Afrika zu denken geben.